Nr. 353 Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen vom 15. November 2007 (Stand 1. Januar 2010) Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren verab- schiedet folgenden Konkordatstext: *
1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1
Zweck
Die Kantone treffen in Zusammenarbeit mit dem Bund zur Verhinderung gewalttätigen Verhaltens vorbeugende polizeiliche Massnahmen nach diesem Konkordat, um frühzeitig Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen zu erkennen und zu bekämpfen.
Art. 2
Definition gewalttätigen Verhaltens 1 Gewalttätiges Verhalten und Gewalttätigkeiten liegen namentlich vor, wenn eine Person folgende Straftaten begangen oder dazu angestiftet hat:
a. strafbare Handlungen gegen Leib und Leben nach den Artikeln 111-113, 117, 122, 123, 125 Absatz 2, 129, 133, 134 des Strafgesetzbuches (StGB1 b. Sachbeschädigungen nach Artikel 144 StGB; );
c. Nötigung nach Artikel 181 StGB; d. Brandstiftung nach Artikel 221 StGB; e. Verursachung einer Explosion nach Artikel 223 StGB; * K 2008 2382 und G 2009 161. Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen unddirektoren (KKJPD) verabschiedete den Konkordatstext am 15. November 2007 zur Ratifizierung zuhanden der Kantone. Der Kanton Luzern trat dem Konkordat mit Dekret des Kantonsrates am 8. September 2008 bei (K 2008 2381). Gegen das Beitrittsdekret wurde das Referendum ergriffen. In der Volksabstimmung vom 17. Mai 2009 wurde der Beitritt vom Luzernervolk gutgeheissen (K 2009 1392). Da bereits am 29. Juli 2008 der Kanton St. Gallen als zweiter Kanton beigetreten war, trat das Konkordat gemäss Art. 15 auch für den Kanton Luzern am 1. Januar 2010 in Kraft.
1 SR 311.0. Auf dieses Gesetz wird im Folgenden nicht mehr hingewiesen.
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f. öffentliche Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit nach Artikel 259 StGB;
g. Landfriedensbruch nach Artikel 260 StGB; h. Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte nach Artikel 285 StGB. 2 Als gewalttätiges Verhalten gilt ferner die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch das Mitführen oder Verwenden von Waffen, Sprengmitteln, Schiesspulver oder pyrotechnischen Gegenständen an Sportstätten, in deren Umgebung sowie auf dem Anund Rückreiseweg.
Art. 3
Nachweis gewalttätigen Verhaltens 1 Als Nachweis für gewalttätiges Verhalten nach Artikel 2 gelten: a. entsprechende Gerichtsurteile oder polizeiliche Anzeigen; b. glaubwürdige Aussagen oder Bildaufnahmen der Polizei, der Zollverwaltung, des Sicherheitspersonals oder der Sportverbände und -vereine; c. Stadionverbote der Sportverbände oder -vereine; d. Meldungen einer zuständigen ausländischen Behörde.
2 Aussagen nach Absatz 1 Buchstabe b sind schriftlich festzuhalten und zu unterzeichnen.
2. Kapitel: Polizeiliche Massnahmen
Art. 4
Rayonverbot
1 Einer Person, die sich anlässlich von Sportveranstaltungen nachweislich an Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen beteiligt hat, kann der Aufenthalt in einem genau
umschriebenen Gebiet im Umfeld von Sportveranstaltungen (Rayon) zu bestimmten Zeiten verboten werden. Die zuständige kantonale Behörde bestimmt den Umfang der einzelnen Rayons. 2 Das Rayonverbot kann längstens für die Dauer eines Jahres verfügt werden. 3 Das Verbot kann von den Behörden des Kantons verfügt werden, in dem die betroffene Person wohnt oder in dem sie an der Gewalttätigkeit beteiligt war. Die Behörde des Kantons, in dem die Gewalttätigkeit geschah, hat dabei Vorrang. Die Schweizerische Zentralstelle für Hooliganismus (Zentralstelle) kann den Erlass von Rayonverboten beantragen.
Art. 5
Verfügung über ein Rayonverbot 1 In der Verfügung über ein Rayonverbot sind die Geltungsdauer und der Geltungsbereich des Rayonverbots festzulegen. Der Verfügung ist ein Plan beizulegen, der die vom
Verbot erfassten Orte und die zugehörigen Rayons genau bezeichnet.
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2 Wird das Verbot von der Behörde des Kantons verfügt, in dem die Gewalttätigkeit geschah, ist die zuständige Behörde des Wohnsitzkantons der betroffenen Person umge-
hend zu informieren. 3 Für den Nachweis der Beteiligung an Gewalttätigkeiten gilt Artikel 3.
Art. 6
Meldeauflage
1 Eine Person kann verpflichtet werden, sich zu bestimmten Zeiten bei einer Polizeistelle zu melden, wenn:
a. sie in den letzten zwei Jahren gegen ein Rayonverbot nach Artikel 4 oder gegen eine Ausreisebeschränkung nach Artikel 24c BWIS2 b. aufgrund konkreter und aktueller Tatsachen anzunehmen ist, dass sie sich durch andere Massnahmen nicht von Gewalttätigkeiten anlässlich von Sportveranstaltungen
abhalten lässt; oder verstossen hat;
c. die Meldeauflage im Verhältnis zu anderen Massnahmen im Einzelfall als milder erscheint.
2 Die betroffene Person hat sich bei der in der Verfügung genannten Polizeistelle zu den bezeichneten Zeiten zu melden. Grundsätzlich ist dies eine Polizeistelle am Wohnort.
Die verfügende Behörde berücksichtigt bei der Bestimmung von Meldeort und Meldezeiten die persönlichen Umstände der betroffenen Person. 3 Die Behörde des Kantons, in dem die betroffene Person wohnt, verfügt die Meldeauflage. Die Zentralstelle kann den Erlass von Meldeauflagen beantragen.
Art. 7
Handhabung der Meldeauflage 1 Dass eine Person sich durch andere Massnahmen als eine Meldeauflage nicht von Gewalttätigkeiten anlässlich von Sportveranstaltungen abhalten lässt (Art. 6 Abs. 1 Bst. b),
ist namentlich anzunehmen, wenn: a. aufgrund von aktuellen Aussagen oder Handlungen der betreffenden Person behördlich bekannt ist, dass sie mildere Massnahmen umgehen würde; oder
b. die betreffende Person aufgrund ihrer persönlichen Verhältnisse, wie Wohnlage oder Arbeitsplatz in unmittelbarer Umgebung eines Stadions, durch mildere Massnahmen nicht von künftigen Gewalttaten abgehalten werden kann.
2 Kann sich die meldepflichtige Person aus wichtigen und belegbaren Gründen nicht nach Artikel 6 Absatz 2 bei der zuständigen Stelle (Meldestelle) melden, so hat sie die Meldestelle unverzüglich und unter Bekanntgabe des Aufenthaltsortes zu informieren.
Die zuständige Polizeibehörde überprüft den Aufenthaltsort und die Angaben der betreffenden Person. 3 Die Meldestelle informiert die Behörde, die die Meldeauflage verfügt hat, unverzüglich über erfolgte oder ausgebliebene Meldungen.
2 SR 120. Auf dieses Gesetz wird im Folgenden nicht mehr hingewiesen.
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Art. 8
Polizeigewahrsam 1 Gegen eine Person kann der Polizeigewahrsam verfügt werden, wenn: a. konkrete und aktuelle Hinweise dafür vorliegen, dass sie sich anlässlich einer nationalen oder internationalen Sportveranstaltung an schwerwiegenden Gewalttätigkei-
ten gegen Personen oder Sachen beteiligen wird; und b. dies die einzige Möglichkeit ist, sie an solchen Gewalttätigkeiten zu hindern. 2 Der Polizeigewahrsam ist zu beenden, wenn seine Voraussetzungen weggefallen sind, in jedem Fall nach 24 Stunden. 3 Die betroffene Person hat sich zum bezeichneten Zeitpunkt bei der Polizeistelle ihres Wohnortes oder bei einer anderen in der Verfügung genannten Polizeistelle einzufinden und hat für die Dauer des Gewahrsams dort zu bleiben. 4 Erscheint die betreffende Person nicht bei der bezeichneten Polizeistelle, so kann sie polizeilich zugeführt werden. 5 Die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzuges ist auf Antrag der betroffenen Person richterlich zu überprüfen. 6 Der Polizeigewahrsam kann von den Behörden des Kantons verfügt werden, in dem die betroffene Person wohnt, oder von den Behörden des Kantons, in dem die Gewalttätigkeit befürchtet wird. Die Behörde des Kantons, in dem die Gewalttätigkeit befürchtet
wird, hat dabei Vorrang.
Art. 9
Handhabung des Polizeigewahrsams 1 Nationale Sportveranstaltungen nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a sind Veranstaltungen, die von den nationalen Sportverbänden oder den nationalen Ligen organisiert
werden oder an denen Vereine dieser Organisationen beteiligt sind. 2 Schwerwiegende Gewalttätigkeiten im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a sind namentlich strafbare Handlungen nach den Artikeln 111-113, 122, 123 Ziffer 2, 129, 144 Absatz 3, 221, 223 oder nach Artikel 224 StGB. 3 Die zuständige Behörde am Wohnort der betreffenden Person bezeichnet die Polizeistelle, bei der sich die betreffende Person einzufinden hat, und bestimmt den Beginn und
die Dauer des Gewahrsams. 4 Die Kantone bezeichnen die richterliche Instanz, die für die Überprüfung der Rechtmässigkeit des Polizeigewahrsams zuständig ist. 5 In der Verfügung ist die betreffende Person auf ihr Recht, den Freiheitsentzug richterlich überprüfen zu lassen, hinzuweisen (Art. 8 Abs. 5). 6 Die für den Vollzug des Gewahrsams bezeichnete Polizeistelle benachrichtigt die verfügende Behörde über die Durchführung des Gewahrsams. Bei Fernbleiben der betrof-
fenen Person erfolgt die Benachrichtigung umgehend.
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Art. 10
Empfehlung Stadionverbot Die zuständige Behörde für die Massnahmen nach den Artikeln 4-9 und die Zentralstelle können den Organisatoren von Sportveranstaltungen empfehlen, gegen Personen Sta-
dionverbote auszusprechen, welche in Zusammenhang mit einer Sportveranstaltung ausserhalb des Stadions gewalttätig wurden. Die Empfehlung erfolgt unter Angabe der
notwendigen Daten gemäss Artikel 24a Absatz 3 BWIS.
Art. 11
Untere Altersgrenze Massnahmen nach den Artikeln 4-7 können nur gegen Personen verfügt werden, die das 12. Altersjahr vollendet haben. Der Polizeigewahrsam nach den Artikeln 8-9 kann nur gegen Personen verfügt werden, die das 15. Altersjahr vollendet haben.
3. Kapitel: Verfahrensbestimmungen
Art. 12
Aufschiebende Wirkung Einer Beschwerde gegen eine Verfügung über Massnahmen nach den Artikeln 4-9 kommt aufschiebende Wirkung zu, wenn dadurch der Zweck der Massnahme nicht gefährdet wird und wenn die Beschwerdeinstanz oder das Gericht diese in einem Zwi-
schenentscheid ausdrücklich gewährt.
Art. 13
Zuständigkeit und Verfahren 1 Die Kantone bezeichnen die zuständige Behörde für die Massnahmen nach den Artikeln 4-9.
2 Die zuständige Behörde weist zum Zwecke der Vollstreckung der Massnahmen nach Kapitel 2 auf die Strafdrohung von Artikel 292 StGB hin.
3 Die Kantone melden dem Bundesamt für Polizei (fedpol) gestützt auf Artikel 24a Absatz 4 BWIS:
a. Verfügungen und Aufhebungen von Massnahmen nach den Artikeln 4-9 und 12; b. Verstösse gegen Massnahmen nach den Artikeln 4-9 sowie die entsprechenden Strafentscheide;
c. die von ihnen festgelegten Rayons unter Beilage der entsprechenden Pläne.
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4. Kapitel: Schlussbestimmungen
Art. 14
Information des Bundes Das Generalsekretariat der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) informiert die Bundeskanzlei über das vorliegende Konkordat.
Das Verfahren richtet sich nach Artikel 27o RVOV3
Art. 15
Inkraft reten .
Dieses Konkordat tritt in Kraft, sobald ihm mindestens zwei Kantone beigetreten sind, frühestens jedoch auf den 1. Januar 20104
Art. 16
Kündigung .
Ein Mitgliedkanton kann das Konkordat mittels einjähriger Vorankündigung auf Ende eines Jahres kündigen. Die anderen Kantone entscheiden, ob das Konkordat in Kraft zu lassen ist.
Art. 17
Benachrichtigung Generalsekretariat KKJPD Die Kantone informieren das Generalsekretariat KKJPD über ihren Beitritt, die zuständigen Behörden nach Artikel 13 Absatz 1 und ihre Kündigung. Das Generalsekretariat
KKJPD führt eine Liste über den Geltungsstand des Konkordats.
3 SR 172.010.1
4 Am 29. Juli 2008 wurde der Beitritt des Kantons St. Gallen zum Konkordat rechtsgültig. Dieser trat als zweiter Kanton bei. Damit trat das Konkordat auch für den Kanton Luzern am 1. Januar 2010 in Kraft.
Document Outline
- 1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen
- Art. 1 Zweck
- Art. 2 Definition gewalttätigen Verhaltens
- Art. 3 Nachweis gewalttätigen Verhaltens
- 2. Kapitel: Polizeiliche Massnahmen
- Art. 4 Rayonverbot
- Art. 5 Verfügung über ein Rayonverbot
- Art. 6 Meldeauflage
- Art. 7 Handhabung der Meldeauflage
- Art. 8 Polizeigewahrsam
- Art. 9 Handhabung des Polizeigewahrsams
- Art. 10 Empfehlung Stadionverbot
- Art. 11 Untere Altersgrenze
- 3. Kapitel: Verfahrensbestimmungen
- Art. 12 Aufschiebende Wirkung
- Art. 13 Zuständigkeit und Verfahren
- 4. Kapitel: Schlussbestimmungen
- Art. 14 Information des Bundes
- Art. 15 Inkrafttreten
- Art. 16 Kündigung
- Art. 17 Benachrichtigung Generalsekretariat KKJPD