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Übersetzung1 Zweites Zusatzprotokoll zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen Abgeschlossen in Strassburg am 17. März 1978 Von der Bundesversammlung genehmigt am 13. Dezember 19842 Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 11. März 1985 In Kraft getreten für die Schweiz am 9. Juni 1985 (Stand am 14. Dezember 2004) Die Mitgliedstaaten des Europarats, die dieses Protokoll unterzeichnen, von dem Wunsch geleitet, die Anwendung des am 13. Dezember 19573 in Paris zur
Unterzeichnung aufgelegten Europäischen Auslieferungsübereinkommens (im folgenden als «Übereinkommen» bezeichnet) auf dem Gebiet der fiskalischen strafbaren Handlungen zu erleichtern; in der Erwägung, dass es auch zweckmässig ist, das Übereinkommen in bestimmten anderen Punkten zu ergänzen, sind wie folgt übereingekommen: Kapitel I
Art. 1
Artikel 2 Absatz 2 des Übereinkommens wird durch folgende Bestimmung ergänzt: «Dieses Recht gilt auch bei Handlungen, die nur mit Geldsanktionen bedroht sind.» Kapitel II
Art. 2
Artikel 5 des Übereinkommens wird durch folgende Bestimmungen ersetzt:
«Fiskalische strafbare Handlungen
1. In Abgaben-, Steuer-, Zoll- und Devisenstrafsachen wird die Auslieferung zwischen den Vertragsparteien nach Massgabe des Übereinkommens wegen Handlungen bewilligt, die nach dem Recht der ersuchten Vertragspartei einer strafbaren Handlung derselben Art entsprechen.
AS 1985 724; BBl 1983 IV 129 1 Der
französische
Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung.
2
Art. 1 Abs. 1 Bst. b des BB vom 13. Dez. 1984 (AS 1985 712) 3 SR
0.353.1
0.353.12
Auslieferung
2
0.353.12
2. Die Auslieferung darf nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass das Recht der ersuchten Vertragspartei nicht dieselbe Art von Abgaben oder Steuern oder keine Abgaben-, Steuer-, Zoll- oder Devisenbestimmungen derselben Art wie das Recht der ersuchenden Vertragspartei vorsieht.» Kapitel III
Art. 3
Das Übereinkommen wird durch folgende Bestimmungen ergänzt:
«Abwesenheitsurteile 1. Ersucht eine Vertragspartei eine andere Vertragspartei um Auslieferung einer
Person zur Vollstreckung einer Strafe oder einer sichernden Massnahme, die gegen sie in einem Abwesenheitsurteil verhängt worden ist, so kann die ersuchte Vertragspartei die Auslieferung zu diesem Zweck ablehnen, wenn nach ihrer Auffassung in dem diesem Urteil vorangegangenen Verfahren nicht die Mindestrechte der Verteidigung gewahrt worden sind, die anerkanntermassen jedem einer strafbaren Handlung Beschuldigten zustehen. Die Auslieferung wird jedoch bewilligt, wenn die ersuchende Vertragspartei eine als ausreichend erachtete Zusicherung gibt, der Person, um deren Auslieferung ersucht wird, das Recht auf ein neues Gerichtsverfahren zu gewährleisten, in dem die Rechte der Verteidigung gewahrt werden. Diese Entscheidung ermächtigt die ersuchende Vertragspartei, entweder das betreffende Urteil zu vollstrecken, wenn der Verurteilte keinen Einspruch erhebt, oder andernfalls gegen den Ausgelieferten die Strafverfolgung durchzuführen.
2. Unterrichtet die ersuchte Vertragspartei die Person, um deren Auslieferung ersucht wird, von dem gegen sie ergangenen Abwesenheitsurteil, so betrachtet die ersuchende Vertragspartei diese Mitteilung nicht als förmliche Zustellung mit Wirkung für das Strafverfahren in diesem Staat.» Kapitel IV
Art. 4
Das Übereinkommen wird durch folgende Bestimmungen ergänzt:
«Amnestie Die Auslieferung wird nicht bewilligt wegen einer strafbaren Handlung, die im
ersuchten Staat unter eine Amnestie fällt und für deren Verfolgung dieser Staat nach seinem eigenen Strafrecht zuständig war.»
Zweites Zusatzprotokoll 3
0.353.12
Kapitel V
Art. 5
Artikel 12 Absatz 1 des Übereinkommens wird durch folgende Bestimmungen
ersetzt: «Das Ersuchen wird schriftlich abgefasst und vom Justizministerium der ersuchenden Vertragspartei an das Justizministerium der ersuchten Vertragspartei gerichtet; der diplomatische Weg ist jedoch nicht ausgeschlossen. Ein anderer Weg kann unmittelbar zwischen zwei oder mehr Vertragsparteien vereinbart werden.» Kapitel VI
Art. 6
1. Dieses Protokoll liegt für die Mitgliedstaaten des Europarats, die das Übereinkommen unterzeichnet haben, zur Unterzeichnung auf. Es bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung. Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretär des Europarats hinterlegt.
2. Das Protokoll tritt 90 Tage nach Hinterlegung der dritten Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde in Kraft.
3. Für jeden Unterzeichnerstaat, der das Protokoll später ratifiziert, annimmt oder genehmigt, tritt es 90 Tage nach Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde in Kraft.
4. Ein Mitgliedstaat des Europarats kann dieses Protokoll nicht ratifizieren, annehmen oder genehmigen, ohne gleichzeitig oder vorher das Übereinkommen ratifiziert zu haben.
Art. 7
1. Jeder Staat, der dem Übereinkommen beigetreten ist, kann diesem Protokoll
beitreten, nachdem es in Kraft getreten ist.
2. Der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer Beitrittsurkunde beim Generalsekretär des Europarats; die Urkunde wird 90 Tage nach ihrer Hinterlegung wirksam.
Art. 8
1. Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde einzelne oder mehrere Hoheitsgebiete bezeichnen, auf die dieses Protokoll Anwendung findet.
2. Jeder Staat kann bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde oder jederzeit danach durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Erklärung dieses Protokoll auf jedes weitere in der Erklärung bezeichnete Hoheitsgebiet erstrecken, dessen internationale Beziehungen er wahrnimmt oder für das er Vereinbarungen treffen kann.
Auslieferung
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0.353.12
3. Jede nach Absatz 2 abgegebene Erklärung kann in bezug auf jedes darin genannte Hoheitsgebiet durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation zurückgenommen werden. Die Zurücknahme wird sechs Monate nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär des Europarats wirksam.
Art. 9
1. Die von einem Staat zu einer Bestimmung des Übereinkommens angebrachten
Vorbehalte finden auch auf dieses Protokoll Anwendung, sofern dieser Staat bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde keine anderslautende Absicht zum Ausdruck bringt.
2. Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde erklären, dass er sich das Recht vorbehält, a. Kapitel I nicht anzunehmen; b. Kapitel II nicht oder nur hinsichtlich bestimmter in Artikel 2 bezeichneter strafbarer Handlungen oder Kategorien von strafbaren Handlungen anzunehmen; c. Kapitel III nicht anzunehmen oder nur Artikel 3 Absatz 1 anzunehmen; d. Kapitel IV nicht anzunehmen; e. Kapitel V nicht anzunehmen.
3. Jede Vertragspartei kann einen von ihr nach Absatz 2 angebrachten Vorbehalt durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Erklärung zurückziehen; die Erklärung wird mit ihrem Eingang wirksam.
4. Eine Vertragspartei, die einen Vorbehalt zu einer Bestimmung des Übereinkommens auf dieses Protokoll angewendet oder einen Vorbehalt zu einer Bestimmung des Protokolls angebracht hat, kann nicht verlangen, dass eine andere Vertragspartei diese Bestimmung anwendet; sie kann jedoch, wenn es sich um einen Teilvorbehalt oder einen bedingten Vorbehalt handelt, die Anwendung der betreffenden Bestimmung insoweit verlangen, als sie selbst sie angenommen hat.
5. Andere Vorbehalte zu diesem Protokoll sind nicht zulässig.
Art. 10
Das Europäische Komitee für Strafrechtsfragen des Europarats wird die Durchführung dieses Protokolls verfolgen; soweit erforderlich, erleichtert er die gütliche Behebung aller Schwierigkeiten, die sich aus der Durchführung des Protokolls ergeben könnten.
Art. 11
1. Jede Vertragspartei kann dieses Protokoll durch eine an den Generalsekretär des
Europarats gerichtete Notifikation für sich kündigen.
Zweites Zusatzprotokoll 5
0.353.12
2. Die Kündigung wird sechs Monate nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär wirksam.
3. Die Kündigung des Übereinkommens hat ohne weiteres auch die Kündigung dieses Protokolls zur Folge.
Art. 12
Der Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitgliedstaaten des Rates und
jedem Staat, der dem Übereinkommen beigetreten ist, a. jede Unterzeichnung dieses Protokolls; b. jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde;
c. jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls nach seinen Artikeln 6 und 7;
d. jede nach Artikel 8 Absätze 2 und 3 eingegangene Erklärung; e. jede nach Artikel 9 Absatz 1 eingegangene Erklärung; f.
jeden nach Artikel 9 Absatz 2 angebrachten Vorbehalt; g. jeder Rückzug eines Vorbehalts nach Artikel 9 Absatz 3; h. jede nach Artikel 11 eingegangene Notifikation und den Zeitpunkt, zu dem die Kündigung wirksam wird.
Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Protokoll unterschrieben.
Geschehen zu Strassburg am 17. März 1978 in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarats hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt allen Unterzeichnerstaaten und allen beitretenden Staaten beglaubigte Abschriften.
(Es folgen die Unterschriften)
Auslieferung
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0.353.12
Geltungsbereich des Protokolls am 6. August 2004 Vertragsstaaten Ratifikation Beitritt (B)
In-Kraft-Treten
Albanien
19. Mai
1998
17. August
1998
Armenien
18. Dezember
2003
17. März
1004
Aserbaidschan*
28. Juni
2002
26. September
2002
Belgien*
18. November
1997
16. Februar
1998
Bulgarien*
17. Juni
1994
14. September
1994
Dänemark
7. März
1983
5. Juni
1983
Deutschland
8. März
1991
6. Juni
1991
Estland
28. April
1997
27. Juli
1997
Finnland
30. Januar
1985 B
30. April
1985
Georgien*
15. Juni
2001
13. September
2001
Island
20. Juni
1984
18. September
1984
Italien*
23. Januar
1985
23. April
1985
Kroatien
25. Januar
1995 B
25. April
1995
Lettland*
2. Mai
1997
31. Juli
1997
Litauen
20. Juni
1995
18. September
1995
Malta*
20. November
2000
18. Februar
2001
Mazedonien
28. Juli
1999
26. Oktober
1999
Moldau
27. Juni
2001
25. September
2001
Niederlande*
12. Januar
1982
5. Juni
1983
Aruba
12. Januar
1982
5. Juni
1983
Niederländische Antillen 12. Januar
1982
5. Juni
1983
Norwegen*
11. Dezember
1986
11. März
1987
Österreich*
2. Mai
1983
31. Juli
1983
Polen
15. Juni
1993
13. September
1993
Portugal
25. Januar
1990
25. April
1990
Rumänien
10. September
1997
9. Dezember
1997
Russland*
10. Dezember
1999
9. März
2000
Schweden
13. Juni
1979
5. Juni
1983
Schweiz*
11. März
1985
9. Juni
1985
Serbien und Montenegro 23. Juni
2003 B
21. September
2003
Slowakei
23. September
1996
22. Dezember
1996
Slowenien
16. Februar
1995
17. Mai
1995
Spanien*
11. März
1985
9. Juni
1985
Südafrika
12. Februar
2003 B
13. Mai
2003
Tschechische Republik 19. November
1996
17. Februar
1997
Türkei*
10. Juli
1992
8. Oktober
1992
Ukraine*
11. März
1998
9. Juni
1998
Ungarn
13. Juli
1993
11. Oktober
1993
Vereinigtes Königreich* 8. März
1994
6. Juni
1994
Guernsey*
25. April
2003
25. April
2003
Insel Man*
25. April
2003
25. April
2003
Zypern
13. April
1984
12. Juli
1984
Zweites Zusatzprotokoll 7
0.353.12
Vertragsstaaten Ratifikation Beitritt (B)
In-Kraft-Treten
*
Vorbehalte und Erklärungen siehe hiernach.
Die Vorbehalte und Erklärungen werden in der AS nicht veröffentlicht, mit Ausnahme jener der Schweiz. Die französischen und englischen Texte können auf der Internet-Seite des Europarates: http://conventions.coe.int/treaty/FR/cadreprincipal.htm eingesehen oder bei der Direktion für Völkerrecht, Sektion Staatsverträge, 3003 Bern, bezogen werden.
Vorbehalte und Erklärungen Schweiz4 Die Schweiz erklärt, Kapitel II nicht anzunehmen.
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Art. 1 Abs. 1 Bst. b des BB vom 13. Dez. 1984 (AS 1985 7l2)
Auslieferung
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